
Innovationen auf der iaf 2025: Plasser & Theurer präsentiert die Zukunft der Bahntechnik
Interview mit Johann Dumser, Plasser & Theurer
Innovationen auf der iaf 2025: Plasser & Theurer präsentiert die Zukunft der Bahntechnik
Die internationale Ausstellung Fahrwegtechnik (iaf) in Münster gilt als Leitmesse der Bahnbaubranche und findet vom 20. bis 22.Mai 2025 statt. Im Vorfeld dieser bedeutenden Veranstaltung hatten wir die Gelegenheit, mit Johann Dumser, dem Global Director Marketing & Communication von Plasser & Theurer, zu sprechen. Als führender Anbieter von Bahnbaumaschinen nutzt das Unternehmen die iaf als zentrale Plattform, um seine neuesten Innovationen zu präsentieren. Johann Dumser gewährt Einblicke in die Bedeutung der iaf für die Branche, die Innovationen, die Plasser & Theurer auf der Messe vorstellen wird, sowie die aktuellen Herausforderungen und Zukunftsstrategien im Bahnsektor. Von autonomen Stopfmaschinen bis hin zu nachhaltigen Technologien gibt Herr Dumser Auskunft über die Zukunft der Schieneninfrastruktur und welche Rolle die internationale Leitmesse dabei spielt.
Herr Dumser, Plasser & Theurer ist ein renommiertes Unternehmen im Bereich Bahnbaumaschinen. Könnten Sie uns zunächst einen kurzen Überblick über Ihr Unternehmen geben?
Johann Dumser: Gerne. Plasser & Theurer, gegründet 1953 in Österreich von Franz Plasser und Dr. Josef Theurer, ist heute ein führendes Unternehmen im Export von Bahnbaumaschinen. Wir erzielen einen Umsatz von ca. 500 Millionen Euro in Österreich und gehören zu den Leitbetrieben des Landes. Mit einem Exportanteil von 95 Prozent und dem Motto "We believe in railways" sind wir in der dritten Generation familiengeführt. Die erste Innovation war 1953 die Entwicklung eines Stopfaggregates mit Hydraulikantrieb, eine Technologie die heute weltweit eingesetzt wird. Wir beschäftigen zur Zeit 2.200 Mitarbeiter in Österreich und weltweit insgesamt 6.000. Unsere Maschinen wurden bereits in 110 Länder geliefert – praktisch „überall“,hin wo es eine Eisenbahn gibt. Mit 22 Partnerfirmen in Ländern wie Deutschland, Frankreich, USA, Indien, Australien und Südafrika usw. sind wir global vertreten.
Das ist beeindruckend. Lassen Sie uns über die bevorstehende iaf-Messe sprechen. Welche Bedeutung hat diese Veranstaltung für Plasser & Theurer?
Johann Dumser: Die iaf ist zweifellos die wichtigste Messe für die gesamte Branche der Fahrweginstandhaltung. Sie existiert wesentlich länger als die InnoTrans und hat einen stark internationalen Charakter. Die Messe schafft es, wesentliche Entscheidungsträger in Münster zu vereinen, darunter Bahnen, Baufirmen und alle weiteren Stakeholder der Eisenbahn-Infrastruktur. Es ist die bedeutendste Plattform unserer Branche, so bedeutend, dass manche Mitarbeiter sogar Urlaub nehmen, um vor Ort zu sein – insbesondere Maschinisten. Münster eignet sich ideal als Veranstaltungsort, da auf 3.000 Metern Schottergleis typische Einsatzsituationen live demonstriert werden können. Die Firmenstände im Innenbereich der iaf ergänzen das Leistungsportfolio für die Fahrweginstandhaltung wie z.B. durch Ingenieur- und Planungsbüros. Auf einer konzentrierten Fläche können die neuesten Innovationen und Techniken präsentiert werden. Zusätzlich bieten die Seminare und der iaf Salon Plattformen für hochkarätigen Fachaustausch und internationales Netzwerken.
Mit welchen Innovationen werden Sie auf der iaf aufwarten?
Johann Dumser: Wir werden unsere neuesten Entwicklungen im Bereich des autonomen Stopfens präsentieren sowie Weiterentwicklungen z.B. beim Schienenschweißen. Darüber hinaus stellen wir unsere erweiterten Dienstleistungen im Customer Service vor.
Ein Schwerpunkt liegt auf unseren nachhaltigen Technologien der E³-Serie. Plasser & Theurer setzt seit langem auf Nachhaltigkeit in der Produktentwicklung. Wir sind heute der führende Anbieter einer umfassenden Reihe nachhaltiger Technologien mit messbarem, langfristigem Nutzen für Bahn und Umwelt. Unsere Innovationen ermöglichen beispielsweise 40 Prozent weniger Treibstoffverbrauch durch Öko-Retrofit und 80 Prozent CO2-Einsparung
Das klingt nach bedeutenden Fortschritten. Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell für Ihre Branche, insbesondere in Europa?
Johann Dumser: In Europa stellen die zunehmenden strengen Regularien, Normierungen und Zulassungsbedingungen für Spezialfahrzeuge, zu denen unsere Bahnbaumaschinen zählen eine Herausforderung dar. Diese Prozesse sind oft zeit- und personalintensiv. . Es ist wichtig zu verstehen, dass unsere Arbeitsgeräte keine Transportmittel für Personen oder Güter sind, sondern hochspezialisierte Maschinen. Für Infrastrukturbetreiber stellen Baumaßnahmen immer einen Kostenfaktor dar, da diese nur durch "rollendes Material" Geld verdienen. Die Verfügbarkeit des Gleises steht im Mittelpunkt für die Infrastrukturbetreiber. Das bedeutet, dass Sperrpausen für Instandsetzung und -haltung kurz sein müssen. Dies erfordert sehr leistungsfähige und entsprechend spezialisierte Maschinen, die einerseits langlebig sind und andererseits so hochtechnisiert ausgelegt, dass Sperrzeiten möglichst auf ein Minimum reduziert werden können.
Der Fachkräftemangel ist ein branchenübergreifendes Thema. Wie begegnen Sie dieser Herausforderung?
Johann Dumser: Der Fachkräftemangel ist in der Tat allgegenwärtig. Wir setzen auf attraktive Arbeitsbedingungen, wie ergonomische Kabinen in unseren Maschinen und leise und abgasarme Hybridantriebe. Dennoch bleibt die Arbeit zu ungewöhnlichen Zeiten – nachts, an Wochenenden und Feiertagen – eine Herausforderung. Unsere Lösungsansätze sind vielfältig. Wir entwickeln automatische, KI-unterstützte Maschinen, die den Personalbedarf reduzieren. Wo früher 3 bis 4 Personen nötig waren, können heute ein bis zwei Personen eingesetzt werden (natürlich abhängig vom jeweiligen Regelwerk).
In der Ausbildung setzen wir auf innovative Methoden wie vollwertige Stopfsimulatoren, vergleichbar mit Flugsimulatoren für Piloten. Quereinsteiger können so innerhalb von sechs Wochen effektiv ausgebildet werden.
Plasser & Theurer bildet selbst aus. Welche Vorteile sehen Sie darin?
Johann Dumser: Die eigene Ausbildung sichert uns gute Nachwuchskräfte und fördert eine lange Firmenzugehörigkeit. In der Franz Plasser Vermietung von Bahnbaumaschinen Ges.m.b.H verfügen wir über eigene Maschinen für Einsätze bei den Österreichischen Bundesbahnen. Die Arbeitsplätze auf diesen Maschinen nutzen wir als „Kaderschmiede“ für den Gleisbau sowie die fachgerechte Bedienung und Wartung unserer Produkte. Die Zufriedenheit unserer Mitarbeiter ist uns sehr wichtig. Viele beginnen ihre Laufbahn bei uns mit der Lehre und gehen auch hier in Pension. Die Firmenzugehörigkeit mancher Mitarbeiter entspricht der Lebensdauer einiger Oberbaukomponenten– zwischen 30 und sogar 50 Jahren. Aber auch unsere Maschinen sind sehr lange im Einsatz. Als ich 1990 begann für Plasser & Theurer zu arbeiten, kamen Maschinen in den Einsatz, die heute, 2024, noch immer erfogreich eingesetzt werden.
Wie optimieren Sie Gleisbaustellen und welche Schwerpunkte setzen Sie dabei?
Johann Dumser: Obwohl eine vollständig CO2-freie Großbaustelle derzeit noch nicht realisierbar ist, arbeiten wir kontinuierlich an umweltschonenden Lösungen. Unsere Hochleistungsmaschinen bieten Bahnen einen wirtschaftlichen Vorteil durch verlängerte Instandhaltungsszyklen (zum Bespiel bei der Untergrundsanierung). Wo früher jährlich gestopft wurde, ist dies heute erst nach vielen Jahren wieder nötig. Ein wichtiger Aspekt ist die Integration verschiedener Arbeitschritte bei Baumaßnahmen in eine Maschine. Durch die Fließbandtechnik wird für Arbeiten und Materiallogistik nur das Baugleis verwendet. Die Optimierung von Arbeitstechnologie und Bedienkonzept der Maschinen reduziert den Aufenthalt des Maschinenpersonals im Gefahrenbereich.
Wie sehen Sie die Situation in Deutschland, einem traditionell eisenbahnaffinen Land?
Johann Dumser: Deutschland verfügt über eines der größten und dichtesten Schienennetze Europas. Die deutsche Bahntechnik und Bahnindustrie genießt international hohes Ansehen. Allerdings besteht beim Zustand der Infrastruktur und deren Instandhaltung Handlungsbedarf, um z.B.die Verspätungen der Züge zu senken und die Verlässlichkeit des Systems wieder zu erhöhen. Die aktuellen Planungen der DB InfraGo hinsichtlich der Generalsanierungen und der Instandhaltungs-Container sind sehr zu begrüßen. Wichtig für die Umsetzung ist natürlich eine langfristige Finanzierung der Baumaßnahmen druch die Politik und planbare Rahmenbedingungen für die Bauindustrie.
Wie könnte ein effektives 5-Jahres-Ziel für die Branche aussehen?
Johann Dumser: Viele Menschen sind in den letzten Jahren treuen Bahn-Kunden geworden.Diese dürfen wir icht wieder verlieren. Die Bahn ist nicht nur ein effizientes und sicheres Transportmittel, sondern fördert auch kulturellen Austausch. Reisen erweitert ja bekanntlich den Horizont.
Die Erreichung der CO2-Ziele steht ebenfalls im Fokus und wird durch das System Bahn massiv unterstützt. Auf EU-Ebene wünschen wir uns mehr Augenmaß bei neuen Gesetzen mit Fokus auf realistische und wirtschaftliche Umsetzbarkeit. Für unsere Kunden wünschen wir mehr Planungssicherheit hinsichtlich der Finanzierung von Bau- und Instandhaltungsprojekten.
Zum Abschluss: Können Sie ein konkretes Beispiel für Innovation und Strategie in Ihrem Unternehmen nennen?
Johann Dumser: Ein Paradebeispiel ist unsere Fokussierung auf Digitalisierung der Eisenbahninfrastruktur. Wir entwickeln digitale Maschinen, die mittels Sensorik, KI und fortschrittlicher Messtechnik nicht nur die Gleisgeometrie, sondern auch Hindernisse und den Zustand des Schotters in Echtzeit analysieren können. Diese Maschinen passen darauf die Arbeitsparameter automatisch an, dokumentieren den Ist-Zustand und liefern damit die Datengrundlage für künftige Maßnahmen. Dies ermöglicht eine prädiktive Instandhaltung, was die Ressourcen- und Personalplanung erheblich verbessert. Eine unserer neuesten Innovationen ist eine Mess- und Analysemethode, die die Eigenschaften des Schotters während des gesamten Stopfvorgangs beobachtet und den Schotterzustand in bisher unerreichter Detailtiefe darstellt.
Zudem setzen wir auf Effizienz und Nachhaltigkeit beim Stopfen des Schotterbetts. Mit unserem Dynamischen Gleisstabilisator erreichen wir eine langlebigere Gleislage durch räumliche Verdichtung. Dabei berücksichtigen wir, dass Eisenbahningenieure sehr weit in die Zukunft planen müssen – oft für Zeiträume von 30 Jahren und mehr.
Herr Dumser, vielen Dank für diese ausführlichen und fachkundigen Einblicke in Ihr Unternehmen und die Branche.
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